Das neue Haus der Menschenrechte/“Heimat, fremde Heimat“ ORF-Beitrag vom 16. Juni 2019

Verfasst am: 21. Jun 2019 | Tips

Aus dem Sanierungsfall „Flüchtlingswohnheim“ wurde das neue „HAUS DER MENSCHENRECHTE“

Als wir am 24. und 25. Mai 2019 das neue Haus der Menschenrechte eröffneten, wurde eine vor 10 Jahren gefasste Utopie Wirklichkeit, allen Widrigkeiten und Anfangsschwierigkeiten zum Trotz.

Ein Haus, das mithilfe von mehr als 1.670 Spenderinnen und Spendern in nur 3 ½ Jahren, von vielen Firmen und Partnern generalsaniert wurde.

Ein Haus, in dem Menschenrechte gelebt, beobachtet und vermittelt werden und wo Begegnungen, Gespräche und Workshops stattfinden können.

ORF-Beitrag über das neue Haus der Menschenrechte in Linz:

Der Verein SOS-Menschenrechte

1993 protestierten hunderttausende Menschen gegen das sogenannte „Ausländervolksbegehren“ der FPÖ. Als eine konkrete Antwort auf diese rassistische und menschen-feindliche Politik wurde noch im selben Jahr der Verein SOS-Mitmensch gegründet, heute SOS-Menschenrechte. Thomas Baum war einer der Initiatoren und erster Vorsitzender des neugegründeten Vereins:

„Die große Zustimmung der Zivílgesellschaft bei den damaligen Lichtermeeren hat uns enorm angespornt. Unsere Gründungsphase war von vielen Diskussionen und einigen Turbulenzen geprägt. Eine der ersten Aktionen des bunt zusammengewürfelten Vorstands war aber ein voller Erfolg: Wir veranstalteten das ‚Fest in Menschenhand‘. Ein Leitsatz, der für den Verein bis heute gilt. Wir müssen leider einbekennen, dass in den vergangenen Jahren wiederholt die Menschenrechte selbst in Bedrängnis geraten sind. Jene Menschenrechte, denen wir zu einem Gutteil mehr als 70 Jahre Frieden in Freiheit und Wohlstand zu verdanken haben. So auch jetzt wieder! Ist denn vergessen worden, was Hass und Missgunst in der Politik anrichten können? Und haben es vor allem jene vergessen, die glauben, das Heil für Europa in fremdenfeindlichen Ressentiments und im Nationalismus zu finden.

Gunther Trübswasser zeigt sich besorgt:

 „Vielleicht haben wir in letzter Zeit bei Diskriminierungen und Verletzungen der Menschenwürde zu lange nur auf die Existenz der Menschenrechte vertraut, anstatt sie zu leben. Menschenrechte sind kein Ziel, das man erreicht und dann als erfüllt betrachtet. Menschenrechte und Demokratie sind Wege, die beschritten werden können und die unsere permanente Wachsamkeit erfordern.“

Den vielfältigen Aufgaben wollen wir mit unserem

Haus der Menschenrechte

Rechnung tragen. „YES – WE CAN!“  war und ist Sarah Kotopulos, unsere Geschäftsführerin überzeugt. „Welch wunderbar symbolischer Spruch auch dafür, was in den letzten Jahren mit der Sanierung des Flüchtlingsheims von SOS-MENSCHENRECHTE in Linz-Urfahr gelungen ist! Über viele Jahre war es der Wunschtraum des Vereins, geflüchteten Menschen in Not nicht nur eine engagierte und von Respekt getragene Betreuung anbieten zu können, sondern auch ein ordentliches „Dach über dem Kopf“.

Unter diesem Slogan startete der Verein daher eine Spendenkampagne mit dem Ziel, mithilfe der Unterstützung aus der Zivilgesellschaft diesen Wunschtraum umsetzen zu können. Das Ausmaß der daraufhin einsetzenden Unterstützungswelle war schlicht überwältigend und das Ergebnis ist das neue sanierte HAUS DER MENSCHENRECHTE!“ Hier werden rund 65 benachteiligte Menschen in Notlagen ein vorübergehendes Zuhause finden.

Dank der überaus großzügigen Spenden und des überwältigenden Vertrauens, das uns von privaten Darlehensgeberinnen und -gebern entgegengebracht wurde, konnten wir in nur 3 ½ Jahren ein solides Finanzierungsmodell (mit knapp 50% Eigenmittel!) für die kommenden 40 Jahre erstellen.

Kurze Chronik des Hauses der Menschenrechte

  • Errichtet in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts, diente das Haus Rudolfstraße 64 in Linz-Urfahr meist einfachen Wohnbedürfnissen, aber auch als Pension, bevor es
  • 1981 zum ersten Frauenhaus in Oberösterreich wurde.
  • Seit 1996 wird das Objekt, das sich im Eigentum der Stadt Linz befindet, von SOS-Menschen-rechte als Wohnheim für Asylwerberinnen und -werber betrieben.
  • Schon vor 10 Jahren wurde offenkundig, dass das Haus dringend sanierungsbedürftig ist, nur konnte in mehreren Dutzend Verhandlungsrunden mit LH Pühringer, den Sozial- und Wohn-baureferenten sowie den Bürgermeistern Dobusch und Luger keine Finanzierung erreicht wer-den.
  • Im August 2015 entschloss sich letztendlich der Verein SOS-Menschenrechte, mit der Aktion „Dach über dem Kopf“ (http://www.sos.at/index.php?id=238) die Finanzierung der Sanierung gemeinsam mit Unterstützung aus der Zivilgesellschaft selbst in die Hand zu nehmen.
  • Rund 100 Benefizveranstaltungen wurden von und für diese Spendenaktion in nur 3 ½ Jahren auf die Beine gestellt.
  • Mithilfe umfangreicher Sachspenden, freiwilliger Hilfe und Finanzmittel aus Privatspenden und –darlehen konnten vor rund 16 Monaten die Bauarbeiten begonnen werden. Die Gesamtbaukosten betragen rund 2 Mio. Euro. Zu guter Letzt haben sich auch das Land Oberösterreich und die Stadt Linz mit Einmalförderungen an den Baukosten beteiligt.

Die 4 Säulen des HAUSES DER MENSCHENRECHTE:

 1. WOHNEN

  • WG für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, Schwerpunkt Mädchen

In der WG „Ohana“ finden rund 10 Jugendliche, die ohne Familie aus den Krisenregionen dieser Welt flüchten, einen sicheren Ort. Ganz auf sich allein gestellt, mussten die Jugendlichen nicht nur die Strapazen und Gefahren der Flucht auf sich nehmen, sondern auch die Schwierigkeiten, die das Asylverfahren in Österreich mit sich bringt, bewältigen.

Die meisten Jugendlichen leiden aufgrund schlimmer Erlebnisse, der Trennung von ihren Familien und der ungewissen Zukunft an psychosomatischen und/oder psychischen Beschwerden. Um diesen entgegenzuwirken, gibt es ein Therapieangebot, sowie Rechtsberatung im Haus.

Viele der Jugendlichen waren von Frauen- (bzw. Kinder-) Handel betroffen. Einige Mädchen waren Sexsklavinnen. Enge Kooperationen mit der Kinder- und Jugendhilfe, sowie Interventions- und Beratungsstellen von Frauenhandel stehen daher im Mittelpunkt.

 

  • Erwachsenenwohnheim für Asylsuchende

Die Schwerpunkte der Arbeit liegen nicht nur in der Grundversorgung von rund 35 geflüchteten Menschen, sondern besonders in der sozialarbeiterischen Betreuung und Unterstützung unserer BewohnerInnen mit ihren vielseitigen Anliegen – vom Arztbesuch bis zur (Aus-) Bildungsberatung. Zudem wird hausintern eine Rechtsberatung und mehrere (interne und externe) Deutschkurse angeboten.

 

  • Leistbarer, sozialer Wohnraum für Menschen in Notlagen, Schwerpunkt Frauen & Kinder

Vor allem alleinstehende Frauen, Mütter und deren Kinder, die sich in Notlagen befinden, können hier zur Ruhe kommen und einen Neustart vorbereiten. Auch integrative Wohneinheiten, die als kleine Startwohnungen für 1 Jahr in die Selbstständigkeit für beispielsweise Asylberechtigte und jungen Menschen in Ausbildungen dienen, werden durch ein neues Haus-Nutzungskonzept für rund 20 Menschen ins Leben gerufen.

Nouchka Madimba, flüchtete alleine aus der DR Kongo und ist nun die erste Mieterin des Hauses:

„Ich musste in meinem Asylverfahren 5 Jahre lang warten und lebte in Angst und Unsicher-heit. Anfang dieses Jahres haben ich endlich einen Aufenthaltstitel bekommen und durfte in dieses schöne Haus der Menschenrechte einziehen. Jetzt habe ich ein eigenes Zimmer mit einem eigenen Schlüssel – das ist das größte Geschenk für mich! Ich habe ein Zuhause mit netten Menschen um mich herum!“

Frau Madimba kann nun in Ruhe ihre Ausbildung zur Pflegeassistenz fertigmachen und „ihrem Land“ – sie meint damit Österreich„etwas zurückgeben“.

2. MENSCHENRECHTSBILDUNG

Weiters wird das HAUS DER MENSCHENRECHTE ein Kompetenzzentrum für die Menschenrechtsarbeit des Vereins werden. Wir streben hier den Kontakt und die Zusammenarbeit mit nichtstaatlichen Organisationen und Projekten an, die in deren Wirkungsbereichen dieselben Ziele verfolgen und ebenso für die Verwirklichung und Überwachung der Menschenrechte eintreten.

Die Information und Bewusstseinsbildung im Rahmen des Projekts „Stand up!“ von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen sind wesentliche Aufgaben.

Jährlich finden rund 400 Workshops mit etwa 6.200 TeilnehmerInnen in OÖ stat

3. INTEGRATIONSPROJEKTE

Diverse Integrationsprojekte, wie bspw. das Arbeitsmarktprojekt AMIGO@WORK, die Projekte der Integrationsoffensive Afghanistan, Tanzprojekte, der Gemeinschaftsgarten, das Hobbyfußballturnier „Anpfiff für Menschenrechte“ uvm. sind ebenfalls eine wichtige Säule der Vereinsarbeit.

4. FREIWILLIGENPROJEKTE

  • Freiwilligenprojekt AMIGO

Bei AMIGO engagieren sich rund 100 Freiwillige pro Jahr. Das Projekt wurde gegründet, um Flüchtlinge bei der Integration in die österreichische Gesellschaft zu begleiten und Österreicherinnen und Österreicher die Möglichkeit zu bieten, diese Menschen in Österreich als Buddies ehrenamtlich zu unterstützen. Durch dieses „Buddy“-System auf Augenhöhe soll den Flüchtlingen eine möglichst umfassende und individuelle Unterstützung im Alltag geboten werden (z.B. Erlernen der deutschen Sprache, Hilfe bei behördlichen Angelegenheiten, gemeinsame Freizeitaktivitäten, Unterstützung bei der Arbeits- und Wohnungssuche). Wichtig ist uns, alle Freiwilligen durch persönliche Betreuung professionell zu begleiten und auch den Austausch mit anderen Buddies zu fördern.

  • Spendenaktion „JUGEND.HILFT.JUGEND“

Auch die Jüngsten engagieren sich für Menschenrechte. Unter dem Motto „JUEND.HILFT. JUGEND“ wurden  Schüler, Schulklassen, Kindergärten und Jugendorganisationen aufgerufen, Spenden für SOS-Menschenrechte zu sammeln. Dabei waren die unterschiedlichsten Ideen willkommen: Ob Flohmarkt, Charity-Lauf, Brötchen Buffet oder die Jugendlichen konnten die unterschiedlichsten Aktionen starten. Die Spenden helfen dabei im Haus der Menschenrechte ein Zuhause für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge zu schaffen.

Stellvertretend für die vielen engagierten Jugendlichen die uns in den vielen Jahren unterstützt haben, haben wir eine Schule ausgewählt um sie auf der Bühne zu ehren. Die 3.B Klasse der NMS Ansfelden (OÖ) hat ein Charity-Sportturnier mit Buffet organisiert und dabei stolze 800 Euro gesammelt.

Wir danken den engagierten SchülerInnen und Klassenvorstand Frau Ayse Sarikaya für ihren fleißigen Einsatz.

Als Dankeschön erhält die Klasse einen Menschenrechtskorb, ein Gruppenticket in die „Piratenwelt“ der Therme Aquapulco in Bad Schallerbach..

  • Projekt AMIGO@WORK

 Die Integration in den österreichischen Arbeitsmarkt ist ein Schlüssel für die gesamtgesellschaftliche Integration. AsylwerberInnen sind während ihres Asylverfahrens jedoch aus der Arbeitswelt ausgeschlossen. Mit dem Projekt AMIGO@WORK bieten wir Flüchtlingen die Chance, einen ersten Einblick zu bekommen. Dazu geben sogenannte AMIGOS – Wirtschaftstreibende, die am österreichischen Arbeitsmarkt langjährige Erfahrung besitzen – ihre Erfahrung und Kontakte an die AsylwerberInnen weiter, mit dem Ziel, die spätere Aufnahme einer Erwerbstätigkeit zu erleichtern.

Von 2016 – Frühling 2019 konnten 11 Durchgänge durchgeführt werden und somit konnten für rund 180 AsylwerberInnen Realitätsbegegnungen geschaffen werden, in den verschiedensten Branchen wie:

Hortpädagogik, Altenfachbetreuung, Wirtschaftspädagogik, Einzelhandel, Medizintechnik, Softwaretechnik, Textilverarbeitung, Kunst-/ Kulturvermittlung, Elektroinstallation, Koch, Sozialarbeit, Gastronomie, Mechaniker, Maurer, Metallverarbeitung, Journalist, Grafik, Medizin, Krankenpflege, Wirtschaftsinformatik, Netzwerktechniker, Tischler, Logistik, Menschenrechtsbildung, Labor, Massage, Gesundheitsbereich (Krankenschwester), Einzelhandel, Bäcker, Polizei/Sicherheitsdienst, Schneider, Friseur, Elektriker, Metallverarbeitung, Tischler, Pädagogik, Koch, Wirtschaft, IT-Technik, Optiker.

Die Nationalitäten der TeilnehmerInnen sind dabei ganz unterschiedlich: Eritrea, Somalia, Kongo, Iran, Algerien, Afghanistan, Irak, Syrien, Nigeria, Pakistan, uvm.

Durch das Projekt ist es gelungen, dass einige junge AsylwerberInnen eine Lehre beginnen konnten – leider nur bis September 2018.

 

Perspektive mit Zuversicht

Sarah Kotopulos:

Und wenn das Fest vorüber sein wird und wir das HAUS DER MENSCHENRECHTE ausgiebig bewundert haben, werden wir uns wieder den Sorgen und Nöten im Kleinen, den Verwerfungen der Politik im Großen und der Menschenrechtsbildung für alle Altersklassen widmen. Wir werden unsere Arbeit für die Menschenrechte in gewohnter Weise fortsetzen. Es wird alles nur in freundlicheren Räumen in einem verjüngten Haus stattfinden. Und wir werden Sie, geschätzte Unterstützerin, geschätzter Unterstützer, die Sie Teil unserer gemeinsamen Utopie geworden sind, weiterhin um Ihre Hilfe und freundliche Begleitung ersuchen.“

Gunther Trübswasser:

„Das Haus der Menschenrechte wurde mit Courage, großem Einsatz und dank der Unterstützung vieler renoviert und in einen menschenwürdigen Zustand gebracht. Möge es ein sichtbares Zeichen dafür sein, was die Zivilgesellschaft zu leisten vermag, wenn es gilt, für Demokratie und Menschenrechte einzutreten. Möge es ein Ort der Zuversicht sein, der Menschen in schwierigen Lebenslagen Schutz und neuen Mut gibt und der uns alle in der Hoffnung bestärkt, dass letztlich die Kraft der Vernunft und der Menschenwürde stärker sind als Missgunst und Ausgrenzung.“

Thomas Baum:

„Ich finde es großartig, mit wieviel Herz und Know-how das Haus für Menschenrechte verwirklicht wurde. Der Vorstand und das Team haben eine lange Strecke an gewaltigen Herausforderungen hinter sich. Sie haben die unzähligen Hürden mit Bravour gemeistert. Sehr schön, dass der Verein dabei von unzähligen engagierten UnterstützerInnen begleitet wurde. Die Zivilgesellschaft wünscht sich ein Haus, in dem Menschlichkeit und Toleranz gelebt wird. Dafür ist der Verein für Menschenrechte ein verlässlicher und zukunftsweisender Garant. Respekt und Gratulation!“

SOS-Menschenrechte ist nach wie vor auf Spenden angewiesen, um die Projekte im neuen HAUS DER MENSCHENRECHTE wirkungsvoll umsetzen zu können – ganz nach dem Motto: RUNDHERUM HILFT NEBENAN – für eine unabhängige Rechtsberatung, ausreichend Therapieplätze und regelmäßige hausinterne Deutschkurse.

weitere Infos: www.sos.at

Spendenkonto:

SOS-Menschenrechte Österreich, Volkskreditbank AG

IBAN: AT89 1860 0000 1061 6365

BIC: VKBLAT2L